Ein Interview mit Damjan Kozole
Damjan Kozole wurde 1964 in Brežice, Slowenien, geboren. Er ist 2003 international bekannt geworden, als sein Film Spare Parts am Filmfestival in Berlin gezeigt wurde. Der zweite Film, der ihm internationalen Ruhm brachte, war Call Girl im Jahr 2009. Seine Werke behandeln soziale Problematiken der heutigen Zeit und zeigen uns den Spiegel der Gesellschaft, in denen wir uns oft zu blicken weigern. Am LET’S CEE Film Festival wird eine Retrospektive drei seiner Filme – Spare Parts, Work Liberates und Slovenian Girl – zu sehen sein.
Was denken Sie über die Auswahl Ihrer Filme für das Festival LET’S CEE? Was haben die drei Filme gemeinsam?
Alle drei Filme wurden nach 2000 produziert und geben einen guten Einblick in meine Arbeit. Spare Parts ist der älteste und derjenige, mit dem ich mich 2003 auf dem Filmfestival in Berlin vorgestellt habe. Er öffnete meinen nachfolgenden Produktionen Tür und Tor. Beim Dreh von Spare Parts behielt ich einfache Gedanken im Auge: Wichtigkeit der Gesundheit, Kostbarkeit des Leben … Der Film erzählt über Außergewöhnlichkeit und gleichzeitig Vergänglichkeit, Unwichtigkeit der menschlichen Existenz. Dass jedes Leben im Kosmos zugleich wertvoll und bedeutungslos ist. Der nächste Film, Labour Equals Freedom, ist eine low-budget schwarze Komödie, eigentlich eine TV-Produktion über Menschenwürde. Slovenian Girl, der dritte Film, ist ein Film über Gier, oder über Kapitalismus, wenn Sie wollen. Alle drei Filme verbindet die Hoffnung, dass der Zuschauer in den Charakteren eigene Probleme, Dilemmas und Menschlichkeit wiederfinden kann.
Könnten die Problematiken dieser Filme auch auf österreichische oder andere Gesellschaften übertragen werden?
Mich interessieren Geschichten, die vom modernen Menschen, seinen Ängste und Dilemmas handeln. Dasselbe gilt für mich für Literatur und Theater. Mich interessiert der Mensch, der in derselben Zeit lebt wie ich. Wir sind letztendlich nicht so unterschiedlich, egal ob in Slowenien, Österreich oder Tasmanien. Wir alle haben ähnliche Schwächen, Versuchungen und Tugenden. Die Protagonisten Ihrer Filme befinden sich in schweren Lebenssituationen. Warum widmen Sie sich lieber problematischen Themen, die fürs Publikum gewiss nicht einfach sind? Es gibt verschiedene Öffentlichkeiten – die eine will im Kino nur Spaß haben, da sie genug eigene Probleme hat. Das verstehe ich. Es gibt aber auch das Publikum, welches Reaktionen auf unsere Zeit und Raum interessiert. Die Fragen wo, wie und warum wir leben, wie wir leben, unsere Abhängigkeit voneinander, all das betrifft auch Kinematografie. Wie Truffaut sagte: „A film has to tell us something about life and something about cinema.“
In welchen Ausmaß sind Ihre Themen autobiografisch?
In allen Geschichten sind persönliche oder wahre Erfahrungen mit Fiktion verflochten. Die Idee für Spare Parts habe ich von einem Bekannten Speedway-Fahrer bekommen, der später tatsächlich beim Flüchtlingsschleppen mitgemacht hat. Keiner der Filme ist einfach so entstanden. Der Anlass ist immer ein Ereignis. Zwei von den drei Filmen sind in der Kleinstadt Krško entstanden, wo ich aufgewachsen bin, in einem Ort, den ich also gut kenne. Ich kann und will keine Filme ohne ein gewisses Gefühl machen. Sie haben die meisten Preise gerade für diese drei Filme bekommen. Welcher Preis bedeutet Ihnen am meisten? Wichtiger als Preise ist die Tatsache, dass Spare Parts 2003 ins Wettbewerbsprogramm des Berliner Filmfestivals aufgenommen und anschließend in mehr als 50 Ländern gezeigt wurde. Das öffnete meinen späteren Produktionen Tür und Tor. In so einem kleinen Land wie Slowenien ist es nicht einfach, Filme zu produzieren und sie sogar in die internationale Szene zu bringen.
Tragen Festivals viel zur Bekanntheit eines Filmes bei?
Natürlich, besonders bei Filmen aus kleiner Kinematografie, die ohne ein Festival keine Chance hätten. Wegen der amerikanischen Übernahme des Distributionssystems sind europäische, asiatische und andere Filme aus dem Gleichgewicht geraten. Heutzutage kannst du dir in nur einem Kino in Ljubljana (Kinodvor) nichtamerikanische Filme ansehen. Festivals sind heute teilweise Ersatz für eine Distribution, die existieren sollte. Wenn Festivals in Wien oder Ljubljana anfangen, herrscht „Filmfeiertag“, denn Menschen bekommen die einzigartige Gelegenheit, sich einige Film anzusehen, die sonst nicht gezeigt werden. Das ist auch für eine kleine Kinematografie wie die slowenische sowohl ein Privileg als auch eine Chance.
Haben Sie jemals Lust auf Hollywood bekommen?
Nie wirklich. Ich hätte mehr Interesse am europäischen Raum, z. B. im „mitteleuropäischen“ Becken.
Wie würden Sie den Zustand der slowenischen Kinematografie kommentieren?
Der Zustand ist nicht viel anders als in den vergangenen 25 Jahren. Der Film ist bei uns seit jeher am Existenzrand angesiedelt. Die Krise ist für ihn der Normalzustand. Jeder deiner Filme kann der letzte sein. Es besteht stets die reale Gefahr, dass du nie mehr drehen wirst. In Slowenien können wir glücklich sein, dass wir trotz einer Population von 2 Millionen eine eigene Kinematografie haben. Das ist mir klar, und mehr zu verlangen ist schwierig. Darum bin in bereit, unter verschiedenen Bedingungen zu arbeiten, manchmal sogar bizarren. Was nicht unbedingt schlimm ist. Hindernisse zwingen dich zu mehr Kreativität, denn deine Fantasie ist alles, was du hast. Es gibt keine Abkürzung zur Wirkung. Nur Kamera, Gesichter, Regie. In dieser Situation kannst du nicht bluffen. Es ist einfach: Entweder du hast etwas zu sagen oder nicht.
An welchem Projekt arbeiten Sie momentan?
In den Phasen, in denen ich keine Spielfilme drehe, mache ich Dokumentarfilme über moderne Kunst. Ich bin mit dem Dokumentarfilm Project Cancer fast fertig. Es geht um einen Film über den Künstler Ulay, den Ex-Partner von Marina Abramović. Ulay war vor der Filmproduktion an Krebs erkrankt, was das Konzept völlig änderte. Daher auch dieser Titel. Für Ulay stellte der Überlebenskampf sein größtes Kunstprojekt dar. Er gewann. Der Film spricht über moderne Kunst, hat aber zugleich eine starke humanistische Dimension. Es könnte sogar mein optimistischster Film sein. Für nächstes Jahr plane ich den Spielfilm Night Life – wenn alles klappt. Auch dieser wird von Menschen handeln, die nichts anderes als ihre Menschlichkeit suchen. Und mit ihnen ich meine eigene.



